Datengestützte Fundamentalanalyse verstehen
Zahlen erzählen Geschichten. Wenn du weißt, wie man Bilanzen liest und Kennzahlen interpretiert, siehst du mehr als nur Kursbewegungen.
Viele fangen mit Charts an und merken erst später, dass die wirklich wichtigen Signale in den Geschäftsberichten stecken. Wir zeigen dir, worauf es ankommt – ohne dich in Excel-Tabellen zu verlieren.
Ab Sommer 2026 bieten wir neue Kurse zur statistischen Auswertung von Unternehmenskennzahlen an. Bis dahin kannst du dich hier schon mal einen Überblick verschaffen.


Verschuldungsgrad richtig deuten
Ein hohes Debt-to-Equity sieht erstmal bedrohlich aus. Aber Kontext ist alles.
Infrastrukturunternehmen arbeiten oft mit hohen Fremdkapitalquoten, weil ihre Cashflows planbar sind. Startups mit niedriger Verschuldung können trotzdem riskant sein, wenn sie Geld verbrennen. Du musst die Branche kennen und verstehen, wie stabil die Einnahmen sind.
Working Capital und Liquidität
Wie lange kann ein Unternehmen ohne frisches Geld überleben? Das ist die Kernfrage.
Wenn Forderungen schneller wachsen als Umsätze, ist das ein Warnsignal. Kunden zahlen vielleicht später oder gar nicht. Die Current Ratio allein sagt wenig – du musst schauen, was im Umlaufvermögen steckt und wie schnell es liquidierbar ist.
Cashflow schlägt Gewinn
Buchmäßig kann ein Unternehmen profitabel sein und trotzdem pleitegehen. Klingt paradox, ist aber Realität.
Der operative Cashflow zeigt dir, ob wirklich Geld reinkommt. Abschreibungen, Rückstellungen und Bilanzakrobatik können Gewinne verfälschen. Wenn der freie Cashflow dauerhaft negativ ist, läuft was schief – egal, was die GuV sagt.
Eigenkapitalrendite im Zeitverlauf
Eine gute ROE heute kann das Ergebnis von Glück oder Marktbedingungen sein. Spannender wird's über mehrere Jahre.
Unternehmen mit konstant hoher Eigenkapitalrendite haben meist einen Wettbewerbsvorteil. Schwankungen sind normal, aber der Trend sollte stabil sein. Achte auch darauf, ob die ROE durch Aktienrückkäufe künstlich gepusht wird – das ist nicht nachhaltig.
Wie wir Zahlen zum Sprechen bringen
Statistik klingt trocken, aber wenn du sie richtig anwendest, wird aus einem Datenhaufen eine klare Story. Hier ist unser Ansatz.
Datenqualität prüfen
Bevor du irgendwas analysierst, musst du sicherstellen, dass die Zahlen stimmen. Nicht alle Quellen sind gleich zuverlässig.
Wir schauen uns an, ob Anpassungen vorgenommen wurden, ob es Sondereffekte gab und ob die Daten konsistent über die Jahre hinweg erfasst wurden. Manchmal ändern Unternehmen ihre Rechnungslegung, und dann vergleichst du Äpfel mit Birnen.
Vergleichbare Unternehmen finden
Eine Zahl allein bedeutet nichts. Du brauchst Benchmarks – und die müssen passen.
Wir nehmen nicht einfach die größten Player der Branche als Vergleich. Größe, Geschäftsmodell, Marktposition – das alles muss ähnlich sein. Ein mittelständischer Spezialist lässt sich nicht sinnvoll mit einem globalen Konzern vergleichen.
Trends statt Momentaufnahmen
Ein schlechtes Quartal kann Zufall sein. Ein Abwärtstrend über drei Jahre ist ein Problem.
Wir schauen uns Entwicklungen über längere Zeiträume an. Umsatzwachstum, Margenentwicklung, Schuldenabbau – all das braucht Zeit. Kurzfristige Schwankungen blenden wir bewusst aus, um das große Bild zu sehen.
Bewertung im Kontext
Ein niedriges KGV ist nicht automatisch günstig. Ein hohes nicht automatisch teuer. Es kommt drauf an.
Wir setzen Bewertungskennzahlen in Relation zu Wachstumsraten, Marktstellung und Risiken. Ein Tech-Unternehmen mit 30% Wachstum darf mehr kosten als ein stagnierendes Industrieunternehmen. Die Kunst ist, zu erkennen, wann der Preis gerechtfertigt ist und wann nicht.

Gerwin Lohrberg
Finanzanalyst & Dozent
Seit 14 Jahren in der Fundamentalanalyse aktiv. Hat für Investmentfonds gearbeitet und kennt beide Seiten – die theoretische und die praktische.
Worauf es wirklich ankommt
Ich erlebe immer wieder, dass Leute sich in Kennzahlen verlieren. Sie berechnen 20 verschiedene Ratios und wissen am Ende nicht mehr, was sie eigentlich suchen. Das ist der falsche Ansatz.
Statistik in der Fundamentalanalyse ist kein Selbstzweck. Es geht darum, die richtigen Fragen zu stellen und dann die Zahlen zu nutzen, um Antworten zu finden. Nicht andersrum.
- Konzentriere dich auf drei bis fünf Kernkennzahlen, die für die jeweilige Branche wirklich wichtig sind. Mehr brauchst du meistens nicht.
- Verstehe die Geschäftslogik hinter den Zahlen. Warum sind die Margen so hoch? Warum wächst der Umsatz nicht? Zahlen erklären sich nicht selbst.
- Sei skeptisch bei Sondereffekten und Einmalbelastungen. Unternehmen sind kreativ, wenn es darum geht, Ergebnisse schönzurechnen.
- Vergleiche immer über mehrere Jahre. Ein einzelnes Geschäftsjahr kann durch hundert Faktoren verzerrt sein.
Was mir in unseren Kursen besonders wichtig ist: Leute sollen lernen, selbst zu denken. Es gibt keine magische Formel, die dir sagt, ob eine Aktie kaufenswert ist. Du musst die Zusammenhänge verstehen und dann eine informierte Entscheidung treffen.